Der trojanische Hund

Kuratoren: Kathrin Borer und Andreas Hagenbach

Wer oder was ist dieser trojanische Hund, der sich uns für diese Ausstellung aufdrängte? Der Höhlenhund von Plato? Sehen wir die Dinge so, wie sie wirklich sind oder so, wie sie scheinen? Oder anders gefragt: Sehen wir hinter den Schein der Dinge? Überwachung, Kontrolle und von innen heraus und unbemerkt arbeitende Gegensysteme tragen uns das einst wüste Schlachtfeld, wie es Achill, Hektor und die Anderen kannten, längst in die eigenen vier Wände. Es geht um Ambivalenzen, wie wir sie alltäglich erfahren und aushalten müssen und die für die Kunst wunderbare Stimuli sind. Deshalb haben Kathrin Borer und Andreas Hagenbach dieses Ausstellungsprojekt iniziiert und den trojanischen Hund geschaffen.

Rene Odermatt

Beim genauen Hinschauen lassen sich diese ‚grossen Fragen an die Welt’ auch in der Ausstellung erkennen. So stellt sich bei „Gemse“, „Bär“ und „Adler“ (2007) von René Odermatt die Frage, was geschieht, wenn das ursprünglich Repräsentierte wegfällt und der Sockel selbst auf einen solchen gestellt und damit zum neuen Repräsentativ wird. Auch die Teppichklopfer „Chippendale“ (2013) verschieben die Werte. Ein heute ausgedientes Werkzeug, welches mit schweisstreibender Arbeit verbunden war und früher im Kellerabgang oder Putzschrank seinen Platz hatte, findet sich nun durch seine Neuschöpfung überhöht an einem prominenten Platz im Wohn- oder Ausstellungsbereich wieder. Auch das einst funktionale Werkzeug ‚verkommt‘ zum Repräsentativ.

Pawel Ferus zeigt eine neue Werkgruppe, die nach seiner Rückkehr aus Südafrika entstanden ist. Die Volumen verweisen auf Architektur und ihre elementare Funktion als Schutzhülle; ein Aspekt, der in einer Stadt wie Johannesburg grundlegend wird. Diesen Schutz bieten auch die synthetische Decken, deren kitschige Musterungen am Ende des Tages durchaus ein Gefühl von Geborgenheit vermitteln können. Wie eine zweite Haut legen sie sich über Partien der Skulpturen, deren Formen an raue sozialistische Monumente und Bauten im Stile des Brutalismus erinnern. Über das Haus verteilt finden wir Gipsabgüsse vor. Bei genauerem Betrachten werden Innereien und Schädelfragmente von geschlachteten Tieren erkennbar – auch dieses Fleisch war einst von einer schützenden Haut umhüllt. Wir taxieren diese Fleischberge als Abfall. Nicht so in Südafrika, wo Pawel Ferus das Fleisch auf der Strasse kaufte. Kulturdifferenzen einerseits, die alle Kulturen verbindende Vergänglichkeit andererseits werden hier im Material festgehalten.

Pawel Ferus
Le refus Kathrin Borer

Eine durchhängende Badetuchstange und ein Reihe gummiger Hut- und Mantelhaken können ihrem Zweck, ihrer Aufgabe unmöglich nachkommen. „Le refus“ (2015) ist Teil eines Werkzykluses, den Kathrin Borer dem Thema Arbeit widmet. Diese Gegenstände fragen nach Möglichkeiten, sich in der Leistungs- und Kon- sumgesellschaft einen Bartleby’schen Ungehorsam – „I would prefer not to“ – anzueignen. In der Zeichenserie „Rotverloren“ (2013) treffen Momente von Kontrolle und Ausgeliefertsein, Macht und Unbeherrschbarkeit aufeinander. Das Blatt Papier bietet dem Geschehen eine Bühne, deren angehaltene Handlung jeder Zeit auf die eine oder andere Seite kippen könnte. Solche Zweideutigkeiten sind typisch für Kathrin Borers Arbeiten.

Die Installation „this land must exist in the air since
it can not exist on the ground“ (2012/15) von Andreas Hagenbach zeigt, wie sich stereotype Bilder in der Realität aufzulösen beginnen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was noch ‚echt’ sei, was durch die Medien an uns gelangt, was wir zu wissen oder glauben meinen. Die Dia-Installation „Hans im Glück“ (2015), die auf Found-Footage-Material basiert, wirft Bilder eines Geschwisterpaares in den 1950er Jahren auf die Leinwände. Die Bilder zeugen von grosser Zuwendung und Geborgenheit, sie sind zumeist im Ferienkontext entstanden. Ein gesprochener Text (Textpassage aus „Zement“ von Heiner Müller) legt sich als zweite Ebene über diese Bilder und lässt kindliche Ängste an die Oberfläche drängen; die Bilder einer Idylle verformen sich zur existentiellen Bedrohung.

Andreas Hagenbach
Villa Renata ground floor

Wir sehen die Räumlichkeiten der Villa Renata als eine Form von Speicher, darum haben wir zwei Literaturschaffende zu einer Lesung eingeladen, die in diesen Bildraum eine weitere Ebene legen werden. Einem filmischen Schuss/ Gegenschuss gleich werden sie anlässlich einer Lesung Texte präsentieren, die sie für den Kontext der Ausstellung auswählen oder teilweise als Reaktion auf einzelne Werke neu geschaffen haben. Ein Werkgespräch beendet zum Abschluss der Ausstellung statt.

17.4.2015 – 26.4.2015 Villa Renata

Lesung mit Sarah Elena Müller (Bern) und Peter K. Wehrli (Zürich) am Sonntag, 26 April 2015, 17h

Rundgang durch die Ausstellung mit Heinz Stahlhut (Sammlungskonservator Kunstmuseum Luzern) und den Kunstschaffenden